Fabian ist Aktivist, Moderator und Influencer. Als Teenager hat Fabian aus Spaß mit dem Erstellen und Teilen von Videos auf Social Media angefangen. Durch sein immer stärkeres aktivistisches Handeln hat sich daraus ein Zusammenspiel entwickelt, in dem Fabian heute seine Reichweite nutzt, um auf gesellschaftspolitische Themen und Probleme hinzuweisen. Konkret setzt Fabian sich für Umweltschutz, Nachhaltigkeit und die Rechte von Menschen aus der LGBTQ+ Szene ein.
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Teil einer Lösung sein
Zum Beginn unseres Gesprächs möchte ich gerne wissen, was der Antrieb für seinen Aktivismus ist und erhalte eine sehr werteorientierte Antwort: Es mache ihn langfristig einfach nicht zufriedener, wenn er sich nur mit leichten Themen beschäftigen würde, sagt Fabian und führt er ein Beispiel an: Wenn man die Probleme der Welt mit einem Abwasch vergleiche und einen Berg an Abwasch vor sich habe, dann fühle Fabian sich einfach wohler, wenn er den Abwasch zumindest angehe, als ihn einfach schlicht zu ignorieren.
"Ich möchte immer ansatzweise Teil einer Lösung und nicht Teil eines Problems sein."
Fabian erklärt, er komme aus einem kleinen Dorf. Dort wurden die politischen und gesellschaftlichen Themen, mit denen er sich beschäftigt, kaum diskutiert. Er habe nicht verstanden, weshalb in der Schule nur in einer einzigen Stunde im Biologieunterricht andere Sexualitäten als Heterosexualität angesprochen wurde. Daher habe er sich vorgenommen, diese Themen selbst anzusprechen.
"Es hat mich wütend gemacht, warum darüber niemand spricht. Ich habe nicht verstanden, warum in meiner Schule nie über queere Themen gesprochen wurde. Es gab eine Stunde im Bio-Unterricht dazu, mehr nicht. Auch was Umwelt & Klimaschutz angeht, das war mir viel zu wenig."
Entsprechen zu müssen schadet dem Wohlbefinden
Ich möchte von Fabian wissen, wie es gelinge, den Anspruch, Teil einer Lösung sein zu wollen, damit zu vereinen, sich als Influencer in ein System hineinzubegeben, das Menschen nachweislich krank mache.
Fabian entgegnet, dass ihm der Trend sehr wohl bewusst sei, in sozialen Netzwerken vorzugsweise Stärken zu zeigen und Schwächen eher zu verheimlichen. Das bringe nicht nur Probleme für Influencer:innen mit sich, sondern vor allem für die Menschen, deren Inhalte konsumieren. Fabian sagt, er habe deshalb vorgenommen, sich möglichst authentisch auf Instagram zu zeigen – oft gelinge ihm das aber noch nicht. Wenn er mal einen schlechten Tag habe, dann poste Fabian lieber gar nichts, anstatt seinen Follower:innen mitzuteilen, dass es ihm nicht so gut gehe. Das wiederum erwecke ungewollt den Anschein, dass auch Influencer:innen wie Fabian "immer happy" seien – was schlicht nicht der Wahrheit entspricht.
Wenn Social Media zur Abwärtsspirale für das Wohlbefinden wird
Er selbst sei kein Vorzeigeinfluencer, sagt Fabian. Aber er kenne Influencer:innen, bei denen die Druck, den Social Media auf sie auswirke, extrem sei. Dabei erzählt Fabian von einer Freundin, die es regelrecht hasse, zu fliegen. Nicht etwa aus Nachhaltigkeitsaspekten, sondern weil sie in dieser Zeit nicht mit ihrer Community in Kontakt stehen könne. Hinter diesem Hass verberge sich vor allem die Angst, vom Algorithmus der Sozialen Netzwerke abgestraft zu werden: Interagiert man mit den eigenen Follower:innen in einer niedrigeren Frequenz als gewohnt, werde die Reichweite auf dem entsprechenden Netzwerk sofort verringert. Durch dieses System bauen Soziale Netzwerke Druck auf beiden Seiten auf: Auf der einen Seite bei den Influencer:innen, die durchgehend senden und aktiv sein müssen, um ihre hohe Reichweite aufrecht zu erhalten und dabei oft einem bestimmten Bild entsprechen möchten – und auf der anderen Seite bei den Follower:innen, die durchgehend Bilder und Videos ausgespielt bekommen, die nur einen bruchteilhaften und oft irreführenden Ausschnitt des Lebens zeigen, der von der entsprechenden Influencer:in gerade geteilt wird.
Die Themen der Plattformen wachsen
Ich möchte gerne wissen, ob Fabian hier einen Unterschied zwischen den einzelenen Plattformen wie Instragram oder TikTok sieht. Er verweist dabei schnell auf das unterschiedliche Alter der Plattformen und die damit verbundene Länge des Entwicklungsprozesses der Plattformen. Noch vor wenigen Jahren wurden auf Instagram hauptsächlich Selfies, Tierfotos und Bilder von schön zubereitetem Essen geteilt. Mittlwerweile habe sich die Plattform jedoch stark politisiert. Viele private und öffentliche Accounts nutzen ihre Reichweite, um auf gesellschaftspolitische Themen einzugehen oder Fake News zu bekämpfen. Die gleiche Tendenz sieht Fabian auch bei TikTok, wenngleich diese Plattform viel jünger ist und der Prozess daher an einem anderen Punkt stehe.
Mann darf unsicher sein
Am Ende des Gespräches kommen wir auf das Thema Männlichkeit zu sprechen.
Fabian erzählt mir, er sei bisexuell und könne wenig mit dem stereotypten Männlichkeitsbegriff der letzten Jahrhunderte anfangen. Am Beispiel von Rappern wie Kollegah oder Farid Bang schlägt Fabian eine Brücke vom Begriff der Männlichkeit zu Herausforderungen der Geschlechterrollen im Allgemeinen.
"Klar, man kann Sport machen, aber Coaching-Programme zu teilen, deren Aussage ist: 'Der moderne gibt der Frau das Gefühl, sie würde selbstbestimmt leben, aber am Ende hat er die entscheidenden Hebel in der Hand', das ist Schwachsinn!"
Aus Fabians Sicht sind Menschen, die solch ein Gedankengut verbreiten, oft einfach unsicher. Viele Männer würden sich nicht trauen, ihre Unsicherheit zuzugeben – obwohl Unsicherheit selbst etwas Schönes sein kann. Der Drang, einem bestimmten Bild zu entsprechen, stehe dem offenen Umgang mit Unsicherheit oft im Wege. Und ebendiese Bilder entstehen eben oft gerade auf Social Media.
Was ist ein "moderner Mann"?
Ich frage Fabian nach einem Gegenentwurf. Wie könnte oder sollte der moderne Mann aussehen, wenn sich der tradidionelle Männlichkeitsbegriff also weiterentwickele?
Eine Antwort bekomme ich schnell: Der moderne Mann sei ruhiger und stressfreier. Er lebe nicht in der Sorge, ständig von außen vorgegebene Stereotype erfüllen zu müssen. Weiter müsse er nicht das Gefühl haben, zwingend beruflich Erfolg haben zu müssen. Vielmehr wisse er, dass er sich Zeit lassen darf, sich selbst finden kann. Er darf in einer Beziehung auch Dinge abgeben und muss nicht alles wie ein starker Löwe selber schaffen. Grundsätzlich sollte die Verbindung zwischen Männern und Löwen sollte man überdacht werden.
"Die Connection zwischen Männern und Löwen gefällt mir überhaupt nicht."
Ganz gegensätzlich solle der moderne Mann eher ein Schaaf sein, das harmonisch mit seiner Herde und nicht ein Löwe, der alle anderen zerfleischen muss. Der moderne Mann akzeptitiere, dass er Fehler macht und unsicher ist. Dadurch entstehe wiederum eine angenehme Ruhe.
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Was ist Glück?
Die Frage "Was ist Glück?" oder "Wie werde ich glücklich?" führt schnell zu einem selbst. Sie führt zu Themen wie Sinn, Wohlbefinden oder Zufriedenheit. Und zu der Frage, ob das, was das eigene Leben ausmacht, als wirklich werthaltig empfunden wird. Dazu rate ich Dir, mit der ersten Folge von humansarehappy mit Dr. Ernst Fritz-Schubert "Was ist eigentlich Glück?" zu starten.
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